Η Άνοιξη/Der Frühling

Hallo liebe Leser*innen,

Ich hoffe, es geht euch gut! Hier ist alles gut und es wird auch in den Bergen langsam aber sicher Sommer. Ich habe jetzt schon länger nichts mehr hier geschrieben, deshalb kommt heute ein großer Artikel mit all meinen Erfahrungen der letzten Wochen. Viel Spaß beim Lesen!

Oster-Besuch und Reise nach Athen und Stoupa

Am 5. April bin ich nach Athen aufgebrochen, wo ich abends im Hotel meine Familie wiedergetroffen habe. Wir waren nicht ganz im Zentrum von Athen untergebracht, sondern im Süden in Glyfada. Nachdem wir am nächsten Tag morgens bei einer Bäckerei gefrühstückt hatten, sind wir mit dem Bus ins Zentrum von Athen gefahren und haben uns die Stadt angesehen. Wir waren natürlich bei der Akropolis, haben die Stoa des Attalos besucht, waren in einem Café und haben ein Eis gegessen. Abends sind wir in die Innenstadt von Glyfada gefahren und haben dort köstliche vegane Burger gegessen. Am nächsten Tag haben wir unter anderem das Akropolis-Museum, die Hadrians-Bibliothek und die römische Agora besucht und waren indisch essen. Am nächsten Morgen haben wir das Mietauto abgeholt und sind nach Kalavryta gefahren. Hier haben wir dann das Museum besucht und haben Baklava bei meiner Lieblingsbäckerei gekauft. Dann sind wir anfangs durch abenteuerliche Gebirgsstraßen, später über die Autobahn weiter in den Süden gefahren. Abends sind wir dann in dem kleinen Ort Stoupa, in der Nähe von Kalamata angekommen. Am Sonntag haben wir uns Stoupa angeschaut und haben am Pool des Ferienhauses entspannt. Montag waren wir dann in Kardamyli, was auch ein Küstenort in der Nähe von Stoupa ist. Dort waren wir in einem sehr schönen Café mit ein wenig aufdringlichen Katzen direkt am Meer und in der etwas höher gelegenen Altstadt, die auch ein kleines sehr interessantes Museum beherbergt. Diese Altstadt ist mehr wie eine kleine Festung, die um einen Mani-Turm herum gebaut wurde. Diese Türme kann man auf der mittleren Landzunge der Peloponnes eigentlich überall an der Küste finden, da sie früher als Verteidigungsanlagen verwendet wurden. Am Tag danach sind wir nach Agios Nikolaos gelaufen, dem südlichen Nachbarort von Stoupa. Während des kurzen Schauers saßen wir in einem der Cafés des kleinen Fischerorts und haben Crêpes und Eis gegessen. Der Weg von Stoupa nach Agios Nikolaos ist sehr schön und führt direkt oberhalb der Felsen am Meer entlang und auf dem Rückweg war der Regen dann auch wieder vorbei und wir hatten Sonnenschein. Mittwoch ging es dann leider schon wieder für mich zurück nach Kalavryta und für den Rest der Familie nach Deutschland. Aber bereits am Nachmittag wurde ich von Savvas eingeladen, das griechisch-orthodoxe Osterfest mit ihm und seiner Familie in Patras zu verbringen. 

Griechisch-Orthodoxes Osterfest

Nach der Arbeit am Donnerstag hat mich Savvas dann zuhause abgeholt und wir sind nach Patras gefahren. Dort wurde ich, wie schon im Oktober, sehr gastfreundlich von Savvas Familie empfangen. Dieses Jahr lag das orthodoxe Osterfest, dessen Datum nach dem julianischen Kalender berechnet wird, eine Woche nach dem Ostern der “westlichen” christlichen Kirchen. Es kann aber auch, wie etwa nächstes Jahr, fünf Wochen nach “unserem” Ostern liegen. Die Woche vor dem Ostersonntag wird hier auch schon als besondere Woche begangen, so fasten viele und verzichten in dieser Woche auf Fleisch, Milchprodukte, Fisch und Eier und an einigen Tagen auch auf Öl. Eigentlich gilt dieses Fasten für die gesamten 40 Tage vor dem Ostersonntag, aber sehr viele fasten in der Woche davor. Diese Woche wird “Μεγάλη Εβδομάδα” auf Deutsch “Große Woche” genannt und jeder Tag hat seine spezifische Bedeutung mit entsprechenden kirchlichen Ritualen. Ich war am Großen Donnerstag angekommen und nachdem wir nachmittags im Café waren, hatte ich am Abend ich die Möglichkeit, mit in die Kirche zu kommen. Am Donnerstag wurden die Evangelien, die die Leiden Jesu beschreiben, vorgelesen/gesungen und irgendwann wurden die Lichter ausgestellt. In der dämmrigen Kirche wurde dann die Kreuzigung Jesu nachgestellt, wobei ein Abbild Jesu auf Holz an einem Kreuz in der Mitte der Kirche befestigt war.  

Am Karfreitag wurde der Leichnam vom Kreuz abgenommen und der Epitáfios, das Tuch, welches den Leichnam Jesu symbolisiert, auf den Sarg gelegt, der mit sehr vielen Blüten geschmückt war. Als wir abends in der Kirche waren, wurde der Sarg dann aus der Kirche getragen und alle sind ihm auf einem Trauermarsch durch die Straßen gefolgt. Wir haben alle Kerzen getragen, die aber leider durch den Wind immer ausgepustet wurden. An den Rändern der Straßen hatten aber viele Leute kleine Tische aufgebaut mit brennendem Weihrauch und Kerzen zum Wiederentzünden. Nachdem wir wieder bei der Kirche angekommen waren, wurde der Epitáfios über dem Kircheingang hochgehalten und es bildete sich eine lange Schlange, um unter dem Tuch hindurch wieder in die Kirche zu gehen und so den Heiligen Segen zu erhalten.  

Dann am Abend des Großen Samstags war der Höhepunkt der vorangegangenen Großen Woche: Psalme wurden gesungen und das heilige Licht wurde vom Pfarrer an die Menschen in der Kirche verteilt. Alle hatten bereits eine Kerze mit sich, mit denen dann das Licht vom Einen zur Anderen gegeben wurde. Mir wurde erklärt, dass das Licht jedes Jahr in der Grabeskirche Jesu in Jerusalem vom griechisch-orthodoxen Patriarchen empfangen wird und dann in alle Gemeinden in Griechenland gebracht wird. Kurz vor Mitternacht wurde dann verkündet, dass Jesus Christus auferstanden ist und den Tod besiegt hat. Dieser Moment war von der Stimmung in der Kirche her wie Neujahr. Die Kirchenglocken haben zu läuten begonnen, draußen wurde Feuerwerk gezündet und alle haben sich umarmt. Dabei hat man sich gegenseitig gesagt: „Christós Anésti“ (Jesus ist auferstanden), worauf geantwortet wurde: „Alithós Anésti“ (Er ist wahrhaftig auferstanden), oder “Alithós o Kýrios” (Wahrhaftig der Herr). Dann sind wir aus der Kirche nach Hause gegangen (ich war beim Rausgehen sehr darauf konzentriert, während ich mit der brennenden Kerze durch die dichtgefüllte Kirche lief, nicht Andere oder mich mit Wachs zu beträufeln oder einen Brand auszulösen). Zuhause wurde dann das Fasten gebrochen, was traditionell mit der Suppe “Majirítsa” gemacht wird, die aus Lammleber, Kräutern und Gemüse besteht, es gab aber auch noch viele andere Speisen and diesem Abend. Am nächsten Tag wurden dann rotgefärbte Eier gegessen und fast alle Familien haben in ihrem Garten Fleisch am Spieß gegrillt.  

Sonntagabend sind wir dann zurück nach Kalavryta gefahren. Es war sehr schön, dass ich die Möglichkeit hatte, dass alles miterleben zu dürfen und zu sehen, wie das Osterfest hier gefeiert wird. Auch über die Gastfreundschaft, die ich erfahren habe, habe ich mich sehr gefreut. 

Das dritte ASF-Seminar

Am 20. April bin ich morgens in den Zug nach Diakopto gestiegen, um zum dritten ASF-Seminar in Kryoneri zu fahren. Während der vier Tage in Kryoneri haben wir über unsere Erlebnisse und Erfahrungen seit dem vorherigen Seminar gesprochen und uns gegenseitig unsere Rechercheprojekte vorgestellt, die wir in den Wochen davor mit dem digitalen Archiv “Memory of the Occupation in Greece” durchgeführt hatten. Ich hatte mich mit dem Thema “Beziehungen zwischen Partisan*innen und Zivilist*innen während des Zweiten Weltkriegs und des Bürgerkriegs” auseinandergesetzt. Den letzten Tag des Seminars haben wir genutzt, um gemeinsam mit einer anderen Gruppe, die Filoxenia zur gleichen Zeit empfangen hatte, einen Ausflug nach Kalavryta zu machen. Im Museum habe ich dann die Führung gegeben, woraufhin wir die Gedenkstätte am Ort der Hinrichtung besucht haben. Nach dem Mittagessen in der Taverne hatten wir noch ein wenig Zeit in der Stadt. Auf dem Rückweg haben wir beim Kloster Mega Spilaio (“Große Höhle”) angehalten, das in den Berg gebaut ist. Während des “Unternehmens Kalawrita” zerstörten die deutschen Truppen das Kloster und töteten alle Mönche und Mitarbeiter. Wir haben uns das Kloster angeschaut und waren auch in der namensgebenden Höhle unter dem Hauptgebäude. An diesem Abend war das vorletzte Seminar dann leider auch schon wieder vorbei, aber am nächsten Morgen bin ich mit zwei anderen aus unserer Gruppe nach Athen aufgebrochen, von wo uns der Zug nach Thessaloniki bringen sollte. 

Reise nach Thessaloniki

Ein bisschen nervös war ich schon, als am beschaulichen Bahnhof von Athen der Zug nach Thessaloniki einfuhr, da nur wenige Wochen zuvor, auf genau dieser Strecke ein Zug verunglückt war. Bei dem schwersten Zugunglück Griechenlands starben am 28. Februar 2023 mindestens 57 Menschen. Der Zugbetrieb lief nun aber wieder an und nach ein paar Minuten im Zug ging es mir schon besser. Die Zugfahrt war sehr schön und die Landschaften haben mich teilweise sehr an Deutschland erinnert. Man merkt wirklich einen starken Wechsel der Natur und Landschaft, je weiter nördlich man von Athen fährt. Am frühen Abend kamen wir dann in Thessaloniki an und Thora und ich sind zum Hostel gefahren. Elina war bei einer Freundin untergekommen, die auch einen Freiwilligendienst mit einer anderen Organisation macht. Wir waren im Hostel im 4-Bett-Zimmer und hatten mit deR Unterkunft sehr Glück, da alles immer sauber war. Die häufig wechselnden Mitbewohner waren auch alle nett, zumindest die, mit die mit uns geredet haben. Abgesehen davon habe ich die Zeit in Thessaloniki sehr genossen. Am ersten Tag haben wir uns den “Lefkos Pyrgos”, den weißen Turm angeschaut, der eines der Wahrzeichen von Thessaloniki ist und haben eine Kirche besucht, die wir vom Turm aus gesehen hatten. An den weiteren Tagen haben wir das jüdische Museum, das archäologische Museum, das Museum für zeitgenössische Kunst und das Museum für byzantinische Kultur besucht. Besonders gefallen hat mir das jüdische Museum, weil Thessaloniki eine sehr lange jüdische Geschichte hat, die das Museum sehr eindrucksvoll dargestellt hat. Während des Zweiten Weltkrieges wurde unter Anderem der jüdische Friedhof zerstört, auf dessen Gelände heute die Universität steht. Die Grabsteine wurden in der Stadt verbaut, etwa in einer Treppe, die wir gesehen haben, bei der man noch die hebräischen Inschriften sehen konnte. Eine Treppenstufe zu einem Garten war sogar ein vollständiger Grabstein vom Friedhof. Was mich ziemlich schockiert hat war, dass an dieser Treppe in der Altstadt von Thessaloniki kein Hinweisschild/keine Gedenktafel auf diese Umstände hinweist. Wenn man nicht darauf achtet, fällt einem auch gar nicht auf, woraus die Treppe besteht, uns wurde es von der befreundeten Freiwilligen in Thessaloniki gezeigt.

Das Museum of Contemporary Art hat mir auch sehr gefallen. Wir haben fast den ganzen Tag dort verbracht, weil es echt viel zu sehen gab. Mein Highlight hier war definitiv eine Videoinstallation über Wälder auf der Welt und traditionelle Musikinstrumente, die in den jeweiligen Regionen gespielt werden.

Neben den Museen haben wir uns durch die verschiedenen Streetfoods von Thessaloniki probiert (u.a. Falafel, die ich in Kalavryta leider vermisse). Wir waren auch in einem kleinen Café, in dem wir sehr leckeren Kuchen gegessen haben und dabei von Katzen umgeben waren. Und auch der Sonnenuntergang an der Uferpromenade war sehr schön.  

Die Rückreise verlief dann bedeutend anders als geplant: zwei Wochen zuvor hatten wir bei dem Busunternehmen angerufen, ob ich an dem Sonntag mit dem Bus von Thessaloniki von Patras fahren und dann in den Bus nach Kalavryta umsteigen kann, was uns bestätigt wurde. Am Anfang hat alles gut funktioniert und ich bin morgens in Thessaloniki los, nachmittags in Patras angekommen, doch als ich das Ticket nach Kalavryta kaufen wollte, wurde mir mitgeteilt, dass erst morgen ein Bus nach Kalavryta fährt. Das hat mich sehr aus der Bahn beworfen, weil ich ja immer noch fast 1 1/2 Stunden von Kalavryta entfernt war. Zum Glück hat sich nach Hin- und Hertelefonieren die Möglichkeit ergeben, dass ich die Nacht bei Savvas Familie schlafen konnte, um am nächsten Morgen mit ihm nach Kalavryta zu fahren, da er gerade auch in Patras war. Das war wirklich meine Rettung, weil ich sonst nicht gewusst hätte, was ich hätte tun sollen. Long story short: ich habe es wieder, wenn auch mit einem Tag Verspätung, nach Kalavryta geschafft. 

Parlamentswahlen in Griechenland

Ihr habt es sicher alle mitbekommen: letzten Sonntag, am 21.05. wurde hier in Griechenland das neue Parlament gewählt. Der Gewinner war die konservative Nea Dimokratia (ND), welche auch bisher die Alleinregierung gestellt hat. Bei den bisherigen Wahlen hat das griechische Wahlrecht der Partei mit den meisten Stimmen bis zu 50 zusätzliche Sitze im Parlament von 300 Sitzen als Bonus geschenkt. Deshalb sind Koalitionen in Griechenland eher ungewöhnlich. Diese Gesetzt wurde von der vorherigen, linken Syriza-Regierung 2016 abgeschafft. Änderungen am Wahlgesetz gelten hier aber immer nur für die übernächste Wahl, deshalb war dies die erste Wahl ohne den Bonus. Die konservative Regierung hat diese Regelung aber wieder eingeführt, wodurch sie bei der nächsten Wahl wieder gilt. Um diesen Bonus auch zu erhalten, hat die Nea Dimokratia nun den Auftrag zur Regierungsbildung abgelehnt, wodurch es im Juni zu Neuwahlen kommen wird. Wenn die Ergebnisse wie jetzt bleiben, wird die aktuelle Regierung bestehen bleiben. 

Der Wahlkampf war sehr interessant zu sehen, da ich den Eindruck hatte, dass er im Vergleich zu Deutschland später losging und bedeutend weniger Wahlplakate auf den Straßen hingen. Ich habe hier in Kalavryta tatsächlich nur ein paar Plakate der KKE, der kommunistischen Partei Griechenlands gesehen. Sonst gab es am Bahnhof einen Informationsstand der Nea Dimokratia und das Parteibüro der Syriza war behangen mit Flaggen der Partei. Auf den Straßen lagen viele Flugblätter der Parteien mit den jeweiligen lokalen Kandidat*innen fürs Parlament. Griech*innen, die im Ausland leben, können nur in den Botschaften oder in Griechenland wählen, es gibt allgemein keine Briefwahl. Deshalb gab es früher günstige Flüge vor den Wahlen, die aber heute nicht mehr angeboten werden. Zudem sind viele Menschen hier offiziell in ihren Heimatorten gemeldet, wodurch sie auch an diese Orte zum Wählen zurückfahren müssen, was schnell eine Reise durchs halbe Land werden kann. 

Und sonst so?/Weiteres

Anfang Mai hatte Hilde Schramm das Museum besucht. Hilde Schramm wurde 1936 als Tochter von Albert Speer, dem NS-Rüstungsminister und Architekten geboren, setzt sich aber schon lange gegen Rechtsextremismus und Rassismus ein und vertritt Reparationsansprüche für Opfer des deutschen Nazi-Terrors. So ist sie auch Mitgründerin des Vereins „Respekt für Griechenland“, der sich für die Interessen Griechenlands bezüglich des Besatzungsterrors durch Deutschland einsetzt. Die drei Hauptforderungen des Vereins an den deutschen Staat sind die Folgenden:

1. Rückzahlung des Zwangskredits, den das „Deutsche Reich“ von Griechenland erpresste
2. Erstattungen an die Jüdische Gemeinde Thessaloniki: Lösegeld und Bahnfahrkarten
3. Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums –unter besonderer Berücksichtigung von Opfergemeinden.

https://respekt-für-griechenland.de/wp-content/uploads/2021/02/RfG_Positionspapier_Kriegsschuld_Jan2021.pdf

Nachdem ich Frau Schramm das Museum gezeigt und sie auch mit den anderen Mitarbeitern aus dem Museum gesprochen hatte, hatten sie und ihre Begleitung noch ein Gespräch beim Bürgermeister von Kalavryta, bei dem ich aber nicht dabei war.  

In den letzten Wochen habe ich zudem daran gearbeitet, kleine Verbesserungen am Online-Inventar des Museums auf der Google Plattform Arts & Culture zu machen, sowie vor allem alle Beschreibungen der Objekte und die drei Online-Ausstellungen auf Deutsch zu übersetzen. Ihr könnt das ganze hier auf Google Arts & Culture sehen, so kriegt man auch einen guten Eiblick ins Museum und seine Ausstellungsobjekte.

Im Juni besuchen eine andere Freiwillige und ich die Freiwilligen auf Kreta, worauf ich mich schon sehr freue und worüber ich dann auch hier berichten werde. 

Danke fürs Lesen des Beitrags und bis zum nächsten Mal! 

Catching up with Jonathan

Liebe Leser*innen,

Auch hier in Kalavryta ist der Frühling angekommen und die warmen Tage werden immer mehr. Die letzten zwei Monate waren noch sehr winterlich und ich möchte hier von einigen Erlebnissen des bisherigen Jahres berichten.

Frühling in Kalávryta

Wanderung zum Kloster Agia Lavra

Anfang Januar bin ich mit den beiden Freiwilligen von Kulturweit zum Kloster Agia Lavra gewandert, dass in der griechischen Geschichte eine wichtige Rolle spielt. Das Kloster wurde im Jahr 961 nahe von Kalávryta gegründet. Unter der osmanischen Besatzung wurde das Kloster 1585 niedergebrannt, im Jahr 1600 aber wieder aufgebaut. Das gleiche geschah auch 1705. Seine besondere Bedeutung für die griechische Geschichte erlangte das Kloster am 25. März 1821, als im Kloster der Revolutionsspruch „Freiheit oder Tod!“ ausgerufen wurde, was den Beginn des griechischen Unabhängigkeitskampfes gegen die osmanische Besatzung darstellte. An diesem Tag segnete der Mönch Germanos III. die revolutionäre Flagge der Rebellen und hisste sie vor dem Kloster. 1826, mitten im Kampf um die Unabhängigkeit Griechenlands, wurde das Kloster zum nun dritten Mal von osmanischen Truppen verbrannt, nach der Erlangung der Unabhängigketi aber wiederaufgebaut.

Zudem spielte das Kloster während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg und des „Unternehmens Kalawrita“ eine Rolle, da es zeitweise Partisanen beherbergte, die gegen die Besatzung kämpften. Am 14. Dezember 1943, dem Tag nach dem Massaker in Kalavryta, zogen deutsche Truppen durch das Kloster und richteten fünf Mönche hin und verbrannten daraufhin das Kloster. Heute ist das wiederaufgebaute Kloster ein Wallfahrtsort für viele Griech*innen, besonders aufgrund der Bedeutung als einer der Startpunkte des griechischen Unabhängigkeitskampfes.

Das Kloster Agia Lavra

Die Wanderung dorthin war sehr schön, weil es an diesem Tag sehr sonnig war und man sogar ohne Jacke laufen konnte. Leider führt ein Teil des Weges über eine Landstraße, aber eine großer Teil ist ein Fahrradweg, der durch die Natur führt.

Abbau der Ausstellung in Patras

Der König George I. Platz in Patras

Im Oktober hatte ich auf diesem Blog davon berichtet, wie ich beim Aufbau der Wanderausstellung in Patras geholfen hatte. Diese Ausstellung war über den Winter in Patras zu sehen, bis wir sie am 26. Januar wieder abbauten und für den Transport zurück nach Kalavryta verpackten. Ich habe beim Abmontieren der Tafeln geholfen und alles fotografisch dokumentiert. Danach hatten wir noch kurz Zeit in Patras und ich habe mir eine griechische Zweit-SIM gekauft und die ersten Vorbereitungen für den Karneval in Patras gesehen, der dort einige Wochen später gefeiert wurde.

EU-Seminar

Vom 28. Februar bis zum 5. März habe ich am Mid-Term-Seminar des Europäischen Solidaritätskorps teilgenommen, welches an das erste Seminar im Dezember anschloss. Das Seminar war wieder digital und dauerte sechs Tage. Wir haben uns dort mit anderen ESC-Freiwilligen, die von überall aus Europa kommen und gerade auch einen Freiwilligendienst in Griechenland absolvieren, über unsere Erfahrungen ausgetauscht und über verschiedenen Themen gesprochen. So haben wir zum Beispiel unsere bisherigen Lernwege aufgezeichnet und geschaut, in welchen Bereichen wir uns schon persönlich weiterentwickelt und dazugelernt haben. Wir haben auch darüber gesprochen, wie man mit herausfordernden Situationen und Umständen umgehen kann und an wen man sich bei Problemen wenden kann. Außerdem war der Youthpass ein Thema, der gegen Ende des Freiwilligendienstes ausgestellt wird und unsere Fortschritte und Lernerfahrungen bescheinigt und etwa bei späteren Bewerbungen helfen kann.

Aktuelle Arbeit im Museum

Im Museum arbeite ich in letzter Zeit vor allem an einer Recherche, die ich bis zum nächsten ASF-Seminar mithilfe des Archivs „Memories of the Occupation in Greece“ durchführe. Das Archiv enthält viel Interviews mit Zeitzeug*innen, die von verschiedenen Themen wie dem Besatzungsalltag, Widerstand oder den Massenhinrichtungen berichten. Wir können uns den Themenschwerpukt unserer Recherche selbst aussuchen, ich habe mich für die persönlichen Beziehungen zwischen den Zivilist*innen und den Partisan*innen entschieden, da mir dieses Thema sehr vielschichtig und spannend erscheint. Ein weiteres Projekt im Museum waren Videoaufnahmen aus dem Jahr 1944, die von dem US-Amerikaner George Skouras gemacht wurden und die Zerstörung in griechischen Städten und Dörfern nach dem Abzug der deutschen Truppen dokumentieren. Die Originalfilme befinden sich im Archiv „National Archives and Record Administration“ in den USA und wir haben online nur eine qualitativ eher minderwertige Digitalkopie gefunden, weshalb wir vom Archiv auf Nachfrage eine neu digitalisierte Version bekommen haben. Ich habe aus dieser Kopie dann die Teile zusammengeschnitten, die Kalavryta zeigen. Demnächst werden wir diese Videoausschnitte dann auch in der Ausstellung zeigen. Es ist noch nicht ganz klar, wie es mit den Rechten für das Video aussieht, deshalb kann ich leider noch keine Aufnahmen selber hochladen, aber hier kann man die Kopie sehen, welche schon seit einiger Zeit auf YouTube verfügbar ist. Kalavryta ist von Minute 19:24 bis 20:36 (zuerst der Hügel der Hinrichtung, dann der Friedhof von Kalavryta und von 21:22 bis 22:54 zu sehen (zuerst der Hauptplatz mit der während des Massakers zerstörten Kirche, in der nächsten Einstellung dann die verbrannte Grundschule, in der sich heute das Museum befindet und dann noch einmal der Ort der Hinrichtung).

Seit dieser Woche arbeite ich außerdem an dem digitalen Repertoire des Museums auf der Plattform „Google Arts & Culture“, auf der Museen Online-Ausstellungen kreieren und z.B. Bilder und historische Dokumente mit Informationen zu ihrer Geschichte hochladen können. Ich helfe etwa dabei, die Informationen zu den Objekten zu verbessern. Zudem ist dort bisher alles auf Englisch und ich arbeite mich nach und nach durch die Objekte und füge deutsche Übersetzungen hinzu. Dies wird auch nächste Woche meine Hauptaufgabe sein. Sonst mache ich natürlich mit Gruppen Führungen durchs Museum und helfe bei anderen kleinen Aufgaben. So habe ich zum Beispiel vor einer Woche beim Empfang des mexikanischen Botschafters in Griechenland im Museum geholfen und Fotos vom Besuch für das Museumsarchiv gemacht.

Das Skigebiet von Kalavryta

Das nächste große anstehende Ereignis ist der 25. März, der 202. Jahrestag des Beginns des Unabhängigkeit. Der Beginn des Unabhängigkeitskriegs wird aufgrund des Beginns hier in Kalávryta immer schon am 21. März gefeiert. Ich werde dann demnächst auch von den Feierlichkeiten zu diesen Tagen hier berichten.

Bis bald!

Erstes Zwischenseminar in Kryoneri

Nach den aufregenden und vollen Tagen vor dem 13. Dezember ging es für mich dann am Donnerstag, dem 15. Dezember nach Kryoneri, wo das viertägige ASF-Zwischenseminar stattfand. Dieses Seminar sollte uns die Möglichkeit geben, unsere ersten drei Monate des Freiwilligendienstes zu reflektieren und uns auf die nächste Zeit im Projekt vorzubereiten.

Bei der Anreise zum Seminar bin ich das erste mal mit der Schmalspurbahn von Kalavryta nach Diakopto gefahren, was sehr schön war, weil der Zug an diesem Wochentag nicht zu voll war, was an Wochenenden anders ist. In Diakopto musste ich umsteigen und hatte hierfür drei Stunden Zeit, weshalb ich mich an den kleinen Hafen und an den Strand setzten konnte und danach noch Mittagessen in einem kleinen Café beim Bahnhof gegessen habe. Nach der Weiterfahrt nach Kiato wurde ich von Panos am Bahnhof abgeholt und war mit ihm und zwei anderen Freiwilligen in Kiato an der Küste im Café. Dann waren wir nochmal beim Bahnhof, haben die letzte Freiwillige abgeholt und sind dann hoch nach Kryoneri gefahren, wo wir die anderen getroffen haben. Am nächsten Tag haben wir dann mit Thomas, dem ASF-Landesbeauftragten für Griechenland, der über Videokonferenz zugeschaltet war, über unsere Projekte und Erfahrungen gesprochen und auch den anderen unsere Projekte detailliert vorgestellt.

Die Fahrt mit der Odontotos-Bahn zwischen Kalavryta und Diakopto führt entlang des Voraikos-Flusses durch Canyons und Schluchten

Am Samstag haben wir uns mit dem sehr interessanten historischen Archiv „Memories of the Occupation in Greece“ beschäftigt, dass seit 2018 besteht und viele Interviews mit Zeitzeug:innen der Okkupation Griechenlands beinhaltet. Wir haben hierzu eine Dokumentation gesehen und uns mit dem Thema Identität beschäftigt. Daraufhin war es unsere Aufgabe, erste Ideen für ein Rechercheprojekt zu finden, welches wir bis zum nächsten Seminar im Frühling angehen sollen. Für diese Projekte haben wir Zugang zu dem Online-Archiv mit den Interviews.

Am Sonntag waren wir zuerst zu Besuch bei der Olivenöl-Kooperative von Kryoneri und haben gesehen, wie aus den Oliven der lokalen Bauern Öl gepresst und abgefüllt wurde. Dann sind wir weitergefahren zum Naturkundemuseum beim See Stymfalia, das vor allem die besondere Flora und Fauna um den See herum und den Umgang der Menschen mit dieser thematisiert. So wurde beispielsweise in der Vergangenheit viel Gülle und Dünger in den See geleitet, was zu einem starken Anstieg des Schilfwachstums im See geführt hat, wodurch das ökologische Gleichgewicht des Sees stark geschädigt wurde. Das Schilf dient heute zum Beispiel als Rohstoff für Pellets und der Bestand soll auf ein natürliches Level zurückgebracht werden. Zudem dient die Region des Sees als wichtiger Zwischenstopp für Zugvögel, die früher hier gejagt wurden, heute aber geschützt sind. Früher gab es in der Region noch mehr solcher Seen, die aber in den letzten 200 Jahren umgeleitet und trockengelegt wurden, um Platz für die Landwirtschaft zu schaffen. Außerdem haben wir uns danach die Ruinen der antiken Stadt an dem See angesehen.

Anlieferung der Oliven
Der See Stymfalia von der Vogel-Beobachtungs-Terrasse des Museums aus (zu dieser Zeit war das Wasser kaum zu sehen)

Am Montag war es dann schon wieder Zeit für die Abreise aus Kryoneri und das erste Zwischenseminar war vorbei. Mir hat das Seminar sehr Spaß gemacht und mir weitergeholfen, die nächsten Wochen zu planen. Ich freue mich darauf, mein Rechercheprojekt zu planen und mit den Interviews des Archivs zu arbeiten. Zudem war das Seminar sehr schön, um sich mit den anderen Freiwilligen auszutauschen und die Erfahrungen der anderen zu hören.

Danke für das Lesen des Blogpost und bis bald!

13. Dezember 2022 – 79. Jahrestag des Massakers in Kalavryta

Katerina Sakelaropoulou und der Bürgermeister von Kalavryta am Eingang des Museums

Um den 13. Dezember herum gibt es in Kalávryta jedes Jahr viele Veranstaltungen, die thematisch mit der Erinnerung an das Massaker zusammenhängen. Am Abend des 12. Dezembers fand im Kulturzentrum von Kalávryta eine Preisverleihung statt, bei der Kinder und Jugendliche aus ganz Griechenland und Zypern ausgezeichnet wurden, die beim Gedichtwettbewerb gewonnen haben. Bei diesem Wettbewerb schicken Schüler:innen Gedichte ein, die das Massaker in Kalávryta als Thema haben. Im ersten Teil der Veranstaltung haben die Gewinner:innen ihre Gedichte nacheinander vorgelesen. Im zweiten Teil wurden dann ausgewählte Gedichte seit 2009 als Lied von zwei Sängerinnen vorgetragen, begleiteten einem Piano, Kontrabass und einer Violine. Das hat mir besonders gefallen und war sehr berührend. Meine Aufgaben waren das Begrüßen aller Gäste und das Verteilen des Programms am Eingang. Ich glaube, ich habe noch nie so häufig „Kalispera sas“ (Guten Abend) an einem Tag gesagt. Außerdem habe ich während der Preisverleihung Fotos für das Archiv des Museums gemacht.

Die Führung durch das Museum am 13. Dezember 2022

Am nächsten Tag, dem dem 13. Dezember 2022 war dann der große Tag. Bereits morgens war die Stadt voll von Polizei, da die Präsidentin von Griechenland, Katerina Sakelaropoulou, an der Zeremonie teilnehmen und danach das Museum besuchen würde. Um 10 Uhr begann dann die Zeremonie in der Kirche mit einigen Reden, woraufhin sich die große Gruppe auf den Weg durch den Garten des Museums zum Denkmal auf dem Hügel der Hinrichtung machte. In diesem Trauerzug waren neben den Besucher:innen auch das philharmonische Orchester von Kalávryta und Soldaten der griechischen Armee. Bei dem Denkmal angekommen, wurden Gebete der Griechisch-Orthodoxen Kirche abgehalten und die Namen der 696 Ermordeten von Schüler:innen vorgelesen. Zwischendurch sind immer wieder zwei Jets der griechischen Armee im Tiefflug über die Menschen geflogen, was für mich im ersten Moment befremdlich war, da das ruhige Vorlesen der Namen so immerwieder vom lauten Donner der Flugzeuge unterbrochen wurde. Es hat mir aber auch gezeigt, wie verschieden Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus sein kann. Daraufhin legte die Präsidentin Griechenlands einen Kranz nieder und es gab eine Schweigeminute. Dann ging es wieder runter nach Kalávryta, wo wir im Museum dann auf Katerina Sakellaropoulou gewartet haben. Ich wurde mit der Aufgabe betreut, als Paparazzo Fotos des Besuchs für das Archiv des Museums zu machen. Als sie dann das Museum betrat, mussten alle Besucher:innen das Museum verlassen und viele Bodyguards und Pressefotografen kamen mit der Präsidentin in das Museum. Obwohl ich davor ziemlich aufgeregt war, lief alles gut und ich konnte ein paar gute Fotos machen. Nachdem die Präsidentin das Museum wieder verlassen hatte, habe ich einer Gruppe von Journalisten aus Deutschland, die bei der griechischen Partnerorganisation von ASF, FILOXENIA, zu Besuch war, eine Tour durch das Museum gegeben, was mir auch sehr gefallen hat. Abschließend waren diese zwei Tage sehr ereignisreich und spannend. Kurz darauf, am 15. Dezember bin ich dann aufgebrochen nach Kryoneri, wo das erste Zwischenseminar mit den anderen Freiwilligen stattfand. Von diesem Seminar möchte ich dann im nächsten Blogeintrag erzählen. Bis dahin, danke für das Lesen meines Blogs und ein frohes neues Jahr 2023!

Digitalisierung des Archivs und Umbau der Bibliothek

Liebe Leser*innen,

gerade arbeite ich im Museum vor allem an zwei Projekten: zum einen das Einscannen von Objekten des Museumsarchivs und zum anderen der Umbau der Museumsbibliothek.

Digitalisierung des Archivs

Das Archiv des Museums umfasst viele Dokumente, Zeitungen und Fotos aus der Geschichte Kalávrytas. Ein großer Teil davon ist bereits eingescannt, es kommen aber auch regelmäßig neue Dokumente hinzu, welche auch digitalisiert werden müssen. Dies habe ich letzte Woche übernommen und vor allem Zeitungen und amtliche Dokumente aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eingescannt.

Umbau der Museumsbibliothek

Das Museum hat zwei Keller, in einem sind die Büros und in dem anderen unter anderem die Bibliothek des Museums, welche viel Literatur zu den Themen der Besatzung Griechenlands und dem Nationalsozialismus enthält, aber in ihrem vorherigen Zustand nicht genug Platz für alle Bücher hatte.

Die Bibliothek vor dem Umbau

Die dunkelgrauen Regale haben wir dann ausgeräumt, gereinigt und so umgestellt, dass wir sie von beiden Seiten befüllen und den Stauraum so verdoppeln konnten.

Nachdem ein Teil schon umgebaut wurde

Außerdem lese ich gerade das Buch „Ein Hilfswerk für Griechenland: Begegnungen und Erfahrungen mit Hinterbliebenen deutscher Gewalttaten der Jahre 1941-1944“ von Ehrengard Schramm. Ehrengard Schramm, die 1900 geboren wurde und deren Schwester 1944 von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde, berichtet in diesem Buch vom Aufbau eines Hilfswerks, welches sie ab 1952 vor allem für Kalávryta, aber auch für andere von der deutschen Besatzung schwer geschädigte Gemeinden einrichtete. So konnte zum Beispiel 70 jungen Menschen aus Kalávryta ab 1955 eine Ausbildung in Deutschland ermöglicht werden, was ihnen die Möglichkeit gab, ihren von dem Massaker schwer getroffenen und verarmten Familien durch gut bezahlte Berufe zu helfen. Dies geschah zu einer Zeit als es in Deutschland zu diesem Zeitpunkt wenig Interesse an einer gesellschaftlichen Debatte zu Kriegsschuld und Reparationsforderungen für das unter der Besatzung schwer misshandelte Griechenland gab. Das Buch hat mir vor einigen Wochen ein Herr gegeben, der 1955 mit zwanzig Jahren als einer der ersten mit Ehrengard Schramm nach Deutschland zur Ausbildung reiste. Mehr zu lesen gibt es unter:

https://www.perlentaucher.de/buch/ehrengard-schramm/ein-hilfswerk-fuer-griechenland.html

Danke für das Lesen des Blogeintrags und bis bald!

Der „Ochi-Tag“ und meine ersten zwei Führungen im Museum

Am 28. Oktober wurde hier in Griechenland der „Ochi-Tag“ (Επέτειος του «Όχι») gefeiert. Das ist der Jahrestag, an dem 1940 der griechische Dikatator Metaxas das Ultimatum des italienischen Dikatators Mussolini mit einem einfachen „Nein“ (‘Όχι) abgelehnt hat. Daraufhin griff Italien Griechenland über Albanien an, doch die italienischen Truppen wurden bis über die Angriffslinie von der griechischen Armee zurückgedrängt. Am 6. April 1941 wurde die „Operation Marita“ der deutschen Wehrmacht eingeleitet, welche von italienischen und bulgarischen Truppen unterstützt wurde. Im Zuge dieses Balkanfeldzugs griff die deutsche Wehrmacht das damalige Königreich Jugoslawien und Griechenland an.

Der Tag der Ablehnung des Ultimatums wird in Griechenland mit Umzügen in den Städten gefeiert, an welchen in den großen Städten wie Athen oder Thessaloniki auch das Militär teilnimmt. In Kalávryta gab es einen kleinen Umzug, bei dem die Schulklassen und eine Musikkapelle durch die Menschenmenge marschiert sind. Es war an dem gesamten Wochenende sehr voll in der Stadt und das Museum hatte extrem viele Besucher*innen, sodass die Leute anstehen mussten und wir sie nur nach und nach reinlassen konnten. Auch die Hotels waren an diesen Tagen ausgebucht. Ich habe von dem Umzug Fotos für das Archiv des Museums gemacht.

Meine ersten zwei Führungen im Museum

Am Dienstag, dem 8. November, habe ich zudem meine zwei ersten Führungen im Museum gegeben. Ich hatte etwa eine Woche zuvor gefragt, ob in der nächsten Zeit eine englisch- oder deutschsprachige Gruppe das Museum besuchen würde, woraufhin mir angeboten wurde, den Besuch des International Center for Hellenic and Mediterranean Studies zu betreuen. Also habe ich mich an die Arbeit gemacht und eine Führung vorbereitet, was angesichts der knappen Zeit zwischendurch etwas schwierig war, mir aber sehr viel Spaß gemacht hat. Am Dienstag kam dann die erste Gruppe, allerdings mit nur etwa einer halben Stunde Zeit, weshalb ich meine Planung mit Zeitzeugenberichten leider nicht wirklich wie geplant durchführen konnte. Trotzdem fiel mir die Führung bedeutend leichter als ich gedacht hatte und ich habe mich sicher in der Thematik gefühlt. Die Gruppe bestand aus Studierenden aus den USA, die ein Jahr in Athen studieren und sehr interessiert an dem Museum waren. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass wir nach der Führung noch miteinander geredet haben und ich einige der Studierenden kennenlernen konnte. Genauso war es auch mit der zweiten Gruppe, die nachmittags kam und zu der gleichen Organisation gehörte.

Ich freue mich schon auf die nächsten Besuche internationaler Gruppen, da die Führungen am Dienstag mir sehr Spaß gemacht haben. Außerdem werde ich in den nächsten Wochen die Originaldokumente der deutschen Befehle, welche in der Ausstellung zu sehen sind, auf Englisch übersetzen, damit diese digital und mit qr-code in der Ausstellung verfügbar sind.

Aufbau der Ausstellung „Kalávryta: a city through history before and after the holocaust“ in Patras

Liebe Leser*innen,

Als ich letzten Donnerstag abends in Kalávryta aus dem Auto gestiegen bin, lagen vier eindrucksreiche und schöne Tage in Patras hinter mir.


Vor etwas mehr als einer Woche, am Montag, dem 17.10.2022 bin ich zusammen mit meinem Kollegen Savvas und seiner Familie nach Patras aufgebrochen, wo wir eine Wanderausstellung des Museums aufbauen wollten. Mit dem Auto dauert es von Kalávryta nach Patras, der drittgrößten Stadt Griechenlands, etwa eine Stunde und zwanzig Minuten.

Achaia Clauss
Die noch verpackte Ausstellung

In Patras angekommen gab es gebrateten Fisch zum Mittagessen mit Savvas Eltern, bei denen wir für die Zeit in Patras wohnten. Hier habe ich sehr viel Gastfreundschaft erfahren und wurde wirklich freundlich aufgenommen. Nach dem sehr leckeren Mittagessen sind wir dann zur Achaia Clauss gefahren, einem Weingut, das die Ausstellung beherbergen wird. Die Achaia Clauss wurde 1861 von einem bayerischen Auswanderer gegründet. Hier haben wir den Raum, in dem die Ausstellung geplant war, vermessen und auf dem Laptop ein 3D-Modell vom Raum erstellt, um dann festzustellen, dass der Platz nicht ausreicht. Also entschieden wir, das untere Stockwerk zu nutzen, welches mit einem anderen Gebäude verbunden war und somit ausreichen Platz bot. Abends waren wir dann noch in einem Café an einem kleinen Hafen im Norden von Patras und haben auf dem Rückweg Abendessen geholt. Am Dienstag ging es dann richtig los und Savvas, sein Vater und ich haben angefangen, die Panels der Ausstellung anzubringen, was auch für die nächsten Tage unsere Aufgabe sein sollte. Neben der Arbeit hatte ich die Möglichkeit, Patras kennenzulernen, was mir sehr gefallen hat. In Patras, das direkt am Meer liegt, war es bedeutend wärmer als in der Bergstadt Kalávryta, was man auch an der Vegetation gesehen hat: Olivenbäume, Palmen, Kakteen und Zitrusbäume überall.

Ein Teil der fertigen Ausstellung

Die Ausstellung wurde am 24. Oktober eröffnet und wird bis zum 16. Dezember zu sehen sein. Den Mittelpunkt der Ausstellung bilden Fotos, vor allem aus dem 20. Jahrhundert, welche mit Begleittexten auf Griechisch und Englisch über die ereignisreiche Geschichte Kalávrytas berichten. Hierbei liegt der Fokus auf dem Massaker, welches die deutschen Soldaten am 13. Dezember 1943 in Kalávryta an der Zivilbevölkerung begingen.

Am Donnerstagabend sind ging es dann zurück nach Kalávryta. Die vier Tage in Patras haben mir gut gefallen und ich habe mich sehr gefreut, so gastfreundlich aufgenommen worden zu sein und die Möglichkeit gehabt zu haben, die Stadt kennenzulernen.

Fußgängerzone in Patras
Die neobyzantinische Kirche Agios Andreas in der Nähe des Hafens

Das Museum des Holocaust von Kalávryta

Heute möchte ich mein Projekt, das Museum des Holocaust von Kalávryta näher erläutern und erklären, womit sich das Museum beschäftigt.

Allgemein

Das Museum des Holocaust von Kalávryta wurde 2005 eröffnet und dokumentiert mit Fotografien, Filmen und Literatur die Geschichte des Ortes vor und während des Nationalsozialismus. Der Fokus liegt hierbei auf der Planung, der Ausführung und den Folgen des von deutschen Soldaten begangenen Massakers an der Zivilbevölkerung von Kalavryta 1943. Als sogenannte „Sühnemaßnahme“ erschossen deutsche Soldaten 1943 in Kalávryta fast alle Männer und Jungen über 12 Jahren, die Häuser der Stadt wurden ausgeraubt und in Brand gesteckt. Im Verlauf des sogenannten „Unternehmen Kalawrita“ wurden insgesamt fast 700 Zivilisten ermordet.

Das Museum ist im Gebäude der ehemaligen Grundschule untergebracht, welches zur Zeit der italienischen Okkupation als Konzentrationslager für politische Häftlinge genutzt wurde. Nach der Kapitulation Italiens wurde das Gebäude 1943 für einige wenige Monate in seiner ursprünglichen Funktion als Grundschule genutzt, bis die kommunistische Partisanenorganisation ELAS das Gebäude kurzzeitig nutzte, um deutsche Kriegsgefangene über Nacht unterzubringen. Am 13. Dezember 1943 zwangen die deutschen Soldaten die Bevölkerung in das Gebäude und selektierten auf dem Flur die Menschen. Hierbei wurden Männer (und auch Jungen, da die Selektion allein auf der Einschätzung der Soldaten beruhte) von Frauen und Kindern getrennt. Alle Männer und Jungen über 12 Jahren wurden nach der Selektion exekutiert, nur 13 überlebten. Das Gebäude wurde wie alle anderen Häuser der Stadt in Brand gesteckt, während die Frauen und Kinder noch im Inneren eingesperrt waren. In der ausbrechenden Panik schafften die Eingesperrten es, sich zu befreien, während die deutschen Soldaten teilnahmslos vor dem Gebäude standen und die Menschen beobachteten. Bis heute bleibt der Haupteingang des Gebäudes in Gedenken an die Ermordeten verschlossen.

Die Räume des Museums

Der erste Raum (Geschichte Kalávrytas vor dem Zweiten Weltkrieg)

Im ersten Raum des Museums wird das Leben in Kalávryta vor dem zweiten Weltkrieg thematisiert und dargestellt. So schildern auf drei Fernsehern Zeitzeug*innen ihre Erinnerungen und Erfahrungen aus ihrer Kindheit in der Stadt. Zum Beispiel wurde 1885 die Schmalspurbahn-Verbindung zwischen Kalávryta und Diakofto gebaut, welche auch heute noch in Gebrauch ist und Besucher*innen durch das Gebirge in die Stadt bringt.

Der zweite Raum (Besatzungszeit, Widerstand und Organisation des “Unternehmens Kalawrita“)

Im zweiten Raum werden zum einen die Lebensbedingungen in Kalávryta und der Umgebung während der Besatzungszeit und die Formen des Widerstands beleuchtet, zum anderen thematisiert die Ausstellung hier die Organisation des “Unternehmens Kalawrita“ durch die deutschen Truppen.

Der dritte Raum ist als ehemaliger Eingang und Flur der Schule der kleinste Raum. Hier wurden die Männer von den Frauen und Kindern getrennt. An der Wand werden außerdem andere Dörfer gezeigt, welche im Zuge des des “Unternehmens Kalawrita“ zerstört wurden.

Der dritte Raum/ehemaliger Korridor

Das Thema des vierten Raumes ist die Ankunft der deutschen Soldaten in Kalávryta, die Ermordung der männlichen Bevölkerung und die völlige Zerstörung der Stadt.

Der vierte Raum (Darstellung der Ankunft der deutschen Truppen und des Mords an den Einwohnern)

Im fünften und letzten Raum wird den Ermordeten gedacht. Auf einer Wand sind alle erhaltnenen Bilder der Ermordeten abgebildet und auf der anderne Wand werden die Namen der Ermordeten und auch der wenigen Überlebenden gezeigt. Außerdem lassen sich hier Informationen über spätere strafrechtliche Verfolgung der Täter finden.

Der letzte Raum

Ankunft in Kalavryta/Erster Arbeitstag

„Hoffentlich ist das der richtige Zug. Warum fahren wir seit 10 min nicht los? Ich steige besser wieder aus. Fahre ich in die richtige Richtung?“ waren meine Gedanken als ich im Zug in Kiato saß und ich meine Reise nach Kalávryta, meinem Projektort für das nächste Jahr antreten sollte. Doch nach 15 min Warten war es dann soweit und der Zug setzte sich Richtung Westen an der Nordküste der Peloponnes in Bewegung. Die landschaftlich sehr beeindruckende Fahrt (links Gebirgslandschaft und rechts das Mittelmeer) war sehr schön und hat mir einiges an Nervosität genommen. In Diakopto angekommen, hat mich Dimos, ein Mitarbeiter des Museums abgeholt und wir sind im Meer baden gegangen, was an diesem heißen Tag sehr erfrischend war. Auf dem Weg nach Kalavryta sind wir durch die Berge und Canyons gefahren, während es schon dunkel wurde. Nach einem schnellen Einkauf für das Nötigste habe ich dann meine Wohnung das erste mal betreten. Nach den zwei Wochen Seminaren, bei denen ich durchgehend andere Menschen um mich herum hatte, hat sich die erste Nacht in dieser Wohnung ziemlich einsam angefühlt.

Erster Arbeitstag

Am nächsten Tag hat mich Dimos von zuhause abgeholt und wir sind zum Museum gefahren. Hier habe ich die anderen drei Mitarbeiter*innen kennengelernt und eine ausführliche Tour durch das Museum bekommen. Mir wurde außerdem gezeigt, was die alltäglichen Routine-Aufgaben sind, die ich teilweise auch übernehmen werde, wie etwa Temperaturen und Luftfeuchtigkeit in den Räumen ablesen und eintragen oder das morgendliche Ein- und abendliche Ausschalten der Fernseher in der Ausstellung.

Die Erste Woche

In der Zeit seitdem lebe ich mich hier gut ein und die Wohnung fühlt sich mehr und mehr wie ein Zuhause an. Ich komme immer besser damit klar, für mich selbst zu sorgen (JEDEN TAG kochen ist aber anspruchsvoller, als ich dachte!). Zudem habe ich schnell bemerkt, wie viel Glück ich mit meinem Balkon habe, von dem ich eine richitg gute Aussicht auf die Stadt und die Berge habe. Morgends ist es wirklich kühl hier, aber im Laufe des Tages wird es immer wärmer und sehr angenehm (sehr zu meiner Verwirrung, was ich anziehen soll!). Die Kolleg*innen im Museum sind nett und hilfsbereit und ich fühle mich dort gut aufgehoben. Aktuell lese ich mich auf Arbeit noch vor allem genauer in die Geschichte Kalávrytas, vor allem die während der deutschen Besatungszeit mit den Büchern der Museumsbibliothek ein, damit ich in naher Zukunft auch z.B. Führungen durch das Museum geben kann. Ich glaube, dass meine Arbeit hier sehr spannend und interessant sein wird.

Der letzte Raum der Austellung im Museum, in dem an die Opfer des Massakers erinnert wird.

Orientierungstage in Kryoneri

Blick aus einem Auto durch die Frontscheibe auf Felder und Gebäude von einem Berg herab. Im Hintergrund Meer.
Blick auf das Land um Korinth herum, rechts ein Zipfel von Korinth und dahinter der Golf von Korinth
Sign on a Brick Wall Reading „Kryoneri (Matsani) Korinthias, Righteous AMong The Nations Community, Yad Vashem“

Mit unserer Ankunft am Freitag in dem kleinen Dorf Kryoneri, das westlich von Korinth auf 740m Höhe liegt, begannen unsere Orientierungtage. Ziel dieses zweiten Seminars war es, uns die Möglichkeit zu geben, in Griechenland anzukommen und uns landesspezifisch auf unsere Projekte vorzubereiten. Wir haben das Team der griechischen Partnerorganisation Filoxenia kennengelernt und auch verschiedene Ausflüge gemacht. Wir waren zum Beispiel bei einer Sternwarte in der Nähe von Kryoneri, die an diesem Abend Tag der offenen Tür hatte. Wir waren auch bei der Burg in Alt-Korinth und in Korinth. Am Mittwoch sind wir zudem zu einer Höhe gewandert, in der die Dorfgemeinschaft von Kryoneri zur Zeit der deutschen Besatzung eine jüdische Familie vor der nationalsozialistischen Verfolgung versteckt hat. Dafür, dass so diese Familie so überleben konnte, hat das Dorf 2018 den Titel “Righteous Among the Nations“ der Shoa-Gedenkstätte Yad Vashem erhalten. Von der Höhle sind wir dann weitergewandert zu einem Kloster in den Bergen, welches wir besichtigt haben. Die Orientierungstage haben mich gut im Land ankommen lassen und vor allem hat es mir geholfen, die anderen Freiwilligen besser kennenzulernen und als Gruppe zusammenzuwachsen. Nach einer Woche dieses zweiten Seminars war es dann wieder Zeit, die Sachen zu packen und in unsere Projektorte aufzubrechen, in denen wir das nächste Jahr verbringen werden…